Nach nunmehr 20 Jahren internationaler Ausstellungstätigkeit zeigt der in Königsfeld aufgewachsene Jörg Obergfell erstmals in Königsfeld Arbeiten aus verschiedenen Schaffensphasen in einer Einzelausstellung. Jörg Obergfell hat an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg studiert und war Meisterschüler bei Prof. Ottmar Hörl. Neben seiner Tätigkeit als freischaffender Künstler lehrt Jörg Obergfell derzeit als Professor für Künstlerisches Gestalten an der Hochschule in Trier.
Der Titel Schleichweg verweist einerseits auf den lokalen Bezug des Künstlers zum Ausstellungsraum – Heimat ist ja auch dort, wo man durch die Benutzung von inoffiziellen, unausgeschilderten Pfaden und Abkürzungen einen persönlichen Bezug zu einem Ort schafft.
Andererseits ist diese Form von taktischer Aneignung der Umgebung ein wichtiges Gestaltungsmerkmal von Obergfells Arbeitsweise.
Während sich die Holzarbeiten an einer Aufwertung und Personalisierung der Motive und Überreste zeitgenössischer Massenkultur versuchen, werden bei den Papierobjekten Printmedien als frei verfügbares, in der Großstadt gesammeltes Material verwendet. Diese Arbeiten funktionieren als eine Art Straßenfotografie mit den Mitteln der Plastik, bei der Motivwahl und Arbeitsweise eng miteinander verknüpft sind.
Beispielhaft zeigt er das an der Arbeit Tachiyomi : Personen, die in einem Zeitschriftengeschäft stehend lesen, ohne eine Zeitschrift zu kaufen. In Japan ist diese Art der Versunkenheit im öffentlichen Raum und der damit einhergehende Konsumverzicht so weit verbreitet, dass dafür ein eigenes Wort erfunden wurde und an vielen Geschäften Schilder mit der Aufschrift „Kein Tachiyomi“ angebracht sind. Diesem „wildernden Lesen“ entspricht die Umsetzung der Plastik, die komplett aus im urbanen Raum aufgelesenen Printmedien besteht und diese zweckentfremdet.
Mit ähnlichen Themen beschäftigen sich Obergfells Foto-und Video Arbeiten, die unter anderem skulpturale Interventionen in internationalen Metropolen oder improvisierte Schuppen in einer ländlichen Gegend dokumentieren.
Die Methodik des Schleichweges spiegelt sich weiterhin in der Anordnung der Arbeiten im Ausstellungsraum wieder. Sie passt sich subtil den architektonischen Eigenheiten des jeweiligen Raumes an und macht ihn bewusst zum Bestandteil der Inszenierung. So befinden sich die Objekte eher an Säulen, Boden, Decke und in den Ecken anstatt auf den großen weißen Flächen der Hauptpräsentationswände oder reagieren auf diese durch gezielte Platzierung von Miniaturen – einige Werke müssen vom Betrachter aktiv im Ausstellungsraum gefunden werden.
Obergfell ist auf der Suche nach kleinen Glücksmomenten in den Lücken des Durch-geplanten. Hierbei bezieht er sich immer wieder auf den vermeintlichen Gegensatz zwischen Natur und Kultur, verdreht Maßstäblichkeiten, findet das Große im Kleinen und verarbeitet mit handwerklicher Präzision und bastlerischer Improvisation wertlose Überbleibsel.
VITA
geboren 1976, St. Georgen im Schwarzwald
aufgewachsen in Königsfeld
lebt und arbeitet in Köln
Ausbildung
1997 – 2000 Berufsfachschule für Holzbildhauer Garmisch-Partenkirchen
2000 – 2006 Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, 1. Staatsexamen Kunsterziehung
Meisterschüler bei Prof. Ottmar Hörl
2006-2007 Master of Fine Arts, Goldsmiths College, London
Einzelausstellungen (Auswahl)
2017 Strange Folly, galleryem, Seoul
Koya, Ausstellungsraum für Brauchbarkeit Köln
2016 Jörg Obergfell, gradus, Köln
2013 Towers and Trees, GalleryEm, Seoul
2011 Tout est construit, CEAAC, Straßburg
2010 Second nature, Gallery Muro, Genf
Kunsthalle Mainz
2009 Kompakter Ereignishorizont, Kunstbunker Nürnberg
Wewerka Pavillon 2, Münster
Tower blocks and tunnels, Bearspace, London
2005 Frischzelle 1, Kunstmuseum Stuttgart
Debut, Kunstverein Offenburg
Gruppenausstellungen (Auswahl)
2018 Open, SSA, Royal Scottish Academy, Edinburgh
2017 made up, Glasgow Arts Club, Glasgow
Tiefkeller -3, Tiefkeller, Bonn
2016 Ubiquitous Views, Aomori Art Centre, Aomori
2015 The Office, École des Beaux-Arts de Montréal, Montreal, Kanada
2014 Pierrot Project, Generation and Display, London
Hagulane, Städtische Galerie, Villingen-Schwenningen
2013 Preview, Incheon Art Platform, Incheon, South Korea
Exchange – Planting the Seed, ACAC, Aomori, Japan
Interaction, Institut Français, Stuttgart
Robo con Fractura, LOCAL Arte Contemporáneo, Santiago de Chile
2012 Containing the Possible, Pippy Houldsworth Gallery, London
2011 Modeled Realities, Galerie Heike Strelow, Frankfurt
Burgers Simultanhalle, Simultanhalle, Köln
2010 Supermarket 2010, Kulturhuset, Stockholm
Am Rande der Balance, Internationale Sommerausstellung, Galerie 5020, Salzburg
New German ART, Deutsche Botschaft, London
2009 On concrete, Tokyo Wonder Site, Tokio
Viking Mountain Funeral, The celestial suitcase, New York City
2008 Me, myself and city, The National Art Studio Changdong, Seoul
Monumental Vacancies, galleryem, Seoul
2007 Kunststudentinnen & Kunststudenten stellen aus 2007, Bundeskunsthalle, Bonn
A letter from overseas, Kyunghee University Museum of Art, Seoul, Süd Korea
2006 Die Schönheit der Chance, Positionen und Tendenzen 2006, Kunsthaus Nürnberg
2005 9. Triennale der Kleinplastik, Fellbach
Preise/Stipendien
2018 SSA Award
2017 Kunststiftung NRW, project funding
2016 ACAC, Aomori, Japan
2014 Schloß Ringenberg Stipendium
2013 Incheon Art Platform, Incheon, Süd Korea
ACAC residency,Aomori, Japan
2011 Cité Internationale des Arts Paris
2010 USA-Stipendium des Bayerischen Staatsministeriums für
Wissenschaft, Forschung und Kunst
2007 The National Art Studio, short term residency, Seoul, SüdKorea
National Museum of Contemporary Art, Seoul
2006 Kulturpreis Schwarzwald-Baar
Postgraduate Award, Arts and Humanities Research Council, UK
2004 – 2007 Studienstiftung des deutschen Volkes
2004, 2005 Akademiepreis der, Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg
2002 – 2003 Auslandsstipendium an der, École Nationale des Beaux-Arts Lyon
Lehre
2015 – 2017 Kursleitung Visual Thinking und Art & Ecology, AIB Bonn
Seit 2017 Professur für Künstlerisches Gestalten Hochschule Trier